Ukraine – September 2017

Der Weg in die Ukraine führte zunächst von Österreich aus bis Győr und war ziemlich nass. Also hieß es mal wieder Autobahnbolzen. Eigentlich mag ich das gar nicht und nutze diese nur, wenn ich aufgrund von Zeitmangel oder Schietwetter  muss. Von Győr, einem der wichtigsten Industriestandorte Ungarns, habe ich nahezu nichts gesehen. Stattdessen habe ich mich wieder aufgewärmt und auf besseres Wetter am nächsten Tag gehofft.

Aber bevor der ganze Bericht folgt, erstmal die Übersicht der ganzen Reise (allerdings ohne die An- und Abreise per Autobahn):

Gesamtstrecke: 3597.77 km
Maximale Höhe: 1078 m
Minimale Höhe: 87 m
Gesamtanstieg: 23373 m
Gesamtabstieg: -23422 m
Download file: 00 - Ukraine gesamt_mi_höhe.gpx

 

An- und Einreise in die Ukraine

Tatsächlich war der nächste Tag deutlich besser und ich konnte meinen ursprünglichen Plan umsetzen und ein paar „Extra-Kilometer“ fahren. Von Győr aus ist man sehr schnell an der Donau, der ich bis Komárom auf der ungarischen Seite gefolgt bin. Von dort aus ging es auf der slowakischen Seite weiter. Interessant fand ich, daß ich an manchen Stellen Spuren einer deutschen Kultur fand, bis hin zu deutlich deutschorientierten Ortseingangsschildern. Die Strecke ist nicht schlecht, die Landschaft ganz nett – aber auch nichts besonderes. Jedenfalls nicht, wenn man es dem vergleicht, was noch folgen sollte.

Zurück nach Ungarn ging es in Höhe des Duna-Ipoly-Nationalpark, der am sogenannten Donauknie in den Gebirgen von Pilis und Börzsöny liegt. Er ist gut zu fahren und ein Vorbote auf die nächsten Kilometer.

Als eigentliches Tagesziel hatte ich mir zwei hügelige und kurvenreiche Strecken im sonst eher flachen und gradlinigen Ungarn ausgesucht. Die erste liegt im Landschaftsschutzgebiet Mátra (mit immerhin 12.141 ha) ist das höchste und zugleich eines der meistbesuchten Gebirge Ungarn und bietet touristisch sehr viel. Mich haben aber primär die Straßen interessiert. Diese haben einen klasse Gripp, kaum Verkehr und bieten schnell zu fahrende Kurven. Daher wohl auch der häufig vorzufindende Unterfahrschutz für uns Biker (MEHRSi hätte Ihre helle Freude) und das Schild zu Beginn 😉

Es schließt sich ein kleines Übergangsstück bei Eger an bevor bereits die zweite Kurvenstrecke sich anschließt, der Bükk-Nationalpark. Das Bükk-Gebirge ist das zweithöchste Ungarns und in weiten Bereichen dicht bewaldet.  Die Strecken dort ist sogar noch spannender zu fahren als das Landschaftsschutzgebiet Mátra – sehr schnelle Kurven wechseln mit kleinen und kleinsten jedoch kurvenreichen Abschnitten ab. Nur in einer eigentlich sehr schön zu fahrenden, engen Kurve hat mich dann doch im Scheitel loser und ziemlich hoch aufgeworfener Sand überrascht. Nur gut, das ich gute Reifen habe.

Nach dem Bükk-Gebirge mußte ich dann aber doch schauen, daß ich zur Grenze kann und bin auf direkten Weg dorthin. Der Grenzübergang Beregsurány – Astej ist ein vergleichsweiser kleiner Übergang. Auf ungarischer Seite war ich nach ein paar Minuten durch und lediglich meine Papiere und die beiden Seitenkoffer wurden kurz überprüft. Der Rückstau auf der ukrainischen Seite war jedoch deutlich länger. Baulich bedingt konnte ich leider nicht überholen. Nach einiger Zeit kam ein ukrainischer Grenzbeamte zu mir, meinte in bestem Englisch, ich müsse doch nicht auf die ganzen Kfz warten, und hat mit an einem ansonsten geschlossen Schalter gelotst. Nach einer kurzen Überprüfung der Papiere – mein Gepäck hat keinen interessiert – war ich endgültig in der Ukraine. Übernachten konnte ich für 20 Euro in einem kleinen, sauberen Hotel (Mirage Hotel) mit Frühstück, WiFi und vor allem sicherem Parkplatz in Berehowe ein paar km weiter.

 

Süd-Ukraine und das Karpatenvorland

Von Berehowe aus ging es über die H09 an der rumänischen Grenze entlang zum Gorgany-Gebirge und durch eine sehr schöne Landschaft bis Tatariv. Von dort aus über die P24 zum National Park Hutsulshchyna in den Karpaten. Landschaftlich eine sehr schöne Gegend, die ich bestimmt nochmals besuche. Die Straßen dort sind jedoch häufig eher unterdurchschnittlich und an der einen oder anderen Stelle fällt selbst bei höchster Konzentration schwierig, zwischen den Schlaglöchern und Bodenwellen noch einen Weg zu finden und durchzufahren. Aber unfahrbar sind sie mit einem Straßenbike auch nicht – mir kam ein Supersportler entgegen!🏍

Ein Erlebnis der besonderen Art hatte aber ich auch. Nach einer Ortsdurchfahrt wurde ich hinter einer Kurve von dort wartenden Polizisten gestoppt. Sehr freundlich, mit einigen Brocken Deutsch und etwas Englisch, wurde ich darauf hingewiesen, daß ich zu schnell war. Zugleich fanden meine russischen Visa eine gewisse Aufmerksamkeit im Gespräch der Beamten untereinander (Russia – good). Wie das aber genau gemeint war, hat sich mir jedoch nicht erschlossen. Interessanter war, daß der Vorwurf der Geschwindigkeitsübertretung auf einmal zu Alkohol am Steuer mutierte. Nach dem ich diesen mehrmals verneinte, wurde ein besser Deutsch sprechender Kollege angerufen und er sollte mir am Telefon alles erklären: „Alkohol“ – „nein“. „Du trinken Alkohol, Du müssen Strafe zahlen“ – „nein“. „Wenn nicht zahlen Du musst zur Polizeiwache, die haben da ein Gerät und dann teurer“ – „nein“… das ging noch so ca. 5 Minuten weiter. Am Ende haben Sie sich dann aber bedankt, mir meine Papiere zurückgegeben und eine gute Fahrt gewünscht – gezahlt habe ich nicht 😎. Alles im allem muss ich aber sagen, daß trotz dieses sehr offensichtlichen Versuches die Beamten wirklich freundlich, nahezu richtig nett waren.

Übernachtet habe ich in Iwano-Frankiwsk, zu Deutsch Stanislau. Das Black Castle Hotel war echt etwas besonderes. Es war mehr oder weniger gut zur Burg umgebaut bzw. als solche dekoriert. Obwohl an einer Durchgangsstraße gelegen ist es relativ ruhig, bietet ein gutes Restaurant. Übernachtung, Frühstück, WiFi, sicheren Parkplatz für 16 Euro. Das fand ich dann auch nicht übertrieben.

 

Auf nach Kiew

Da die nächsten Tage durchgehend von Arbeit bestimmt waren, mußte ich nun zusehen, daß ich auch rechtzeitig ankomme und bin direkt in einem Rutsch nach Kiew gefahren (>600 km). Die Strecke führt durch kilometerlange, durch Monokulturen geprägte Felder und ist dabei aber niemals nicht langweilig. Dennoch sind diese Distanzen an einem Tag in der Ukraine nur erfahrenen Bikern zu empfehlen!

Kiew selbst ist ein relativ große Stadt (ca. 3 Mio. Einwohner), an vielen Stellen einfach überfüllt und die Straßen sind nicht immer optimal. Sie ist aber auch eine quirlige, relativ junge Stadt und bietet sehr viele Sehenswürdigkeiten (u.a. den Majdan Nesaleschnosti), die mir Kollegen in einer kleinen Rundfahrt versuchten näher zu bringen, und die Küche der Ukraine, durchaus beeinflußt durch die Nachbarn in der Region, schmeckt mir hervorragend.

Schwierig ist jedoch, ein Hotel zu finden, das auch einen guten Parkplatz hat. Ich hatte ein kleines Familienhotel (Oselya Hotel) etwas außerhalb gefunden, das diesen und meinen anderen Anforderungen aber genügt.

 

Ausflug nach Prypjat / Tschernobyl

Gar nicht soweit entfernt und in ca. 1,5 Stunden gut zu erreichen liegen der Fluß Prypjat, die gleichnamige Stadt sowie – vermutlich bei uns bekannter – die Stadt Tschernobyl (bzw. ukrainisch „Чорнобиль“ – Tschornobyl). Nach getaner Arbeit konnte ich einer kleinen Nachmittagsrunde dorthin. Die Strecke ist zunächst eine der typischen Transitstraßen, dicht befahren und im Belag nicht immer perfekt. Je weiter man jedoch nach Norden und die Nähe von Tschornobyl kommt, desto leerer werden die Straßen. Die Gegend ist aber durchaus bewohnt und landwirtschaftlich genutzt. Die leere Straßen haben den Vorteil, daß der Belag hier ausgesprochen gut ist und es richtig Spaß macht, dort zu fahren.

Das riesige Ei soll Elena Filatova zufolge von jemanden aus Deutschland dorthin gebracht worden sein und „steht für das LEBEN, das die harte Schale des Unbekannten durchbricht“. Zugleich „markiert [es] den Punkt, an dem die […] bekannte Zivilisation endet und die Tschernobyl-Reise beginnt.“

In den gesperrten/überwachten Bereich bin ich dann aber doch nicht gefahren. Eine Tour hatte ich mir zwar schon ausgesucht, die jedoch aus Zeitmangel ausgefallen ist. Es wurde langsam dunkel und ich mußte noch zurück nach Kiew. Damit Ihr dennoch einen Eindruck davon bekommt, gibt es hier den Hinweis auf die oben bereits zitierte Fotografin Elena Filatova, eventuell besser bekannt als Ghost Rider Girl, die mit ihrer Kawasaki ZZR-1100 die Region oft erkundet und die Reisen ausführlich dokumentiert hat. Beim nächsten Mal fahre ich eventuell die eine oder andere Tour mal nach … oder lieber doch nicht???🤔

 

Rückreise über Czernowitz

Bei Facebook hatte ich vor der Reise einen ukrainischen Biker kontaktiert, der mir nun super Tipps für den Rückweg gegeben hat (Danke Roman!).

Am Morgen der Abfahrt habe ich das Bike wieder aufgerödelt und mich in das Getümmel gestürzt. Anders als beispielsweise im Süden der Ukraine gibt es hier eine ganze Menge Motorradfahrer. Meine voll beladene Maschine, das deutsche Kennzeichen und die Aufkleber am Koffer haben jedenfalls für viel Aufmerksamkeit gesorgt. Einer konnte das alles gar nicht fassen, hat mich immer wieder rechts und links überholt, nur um die Aufkleber zu lesen und mir klar  zu machen, wie geil er das alles findet 😎

Der Weg führte zunächst über die autobahnähnlich ausgebaute E40 bis Schytomyr,  über die M-21 bis Winnyzia, mit der E50 weiter in Richtung Chmelnyzyki und über die H03 in den Podilski Tovtry National Park. Dieser ist landschaftlich sehr schön und bietet neben gut ausgebauten Straßen auch eine touristische Infrastruktur. Darüber hinaus gibt es dort viele archäologische und kulturhistorische Stätten.

Ich bin nach Kamjanez-Podilskyj gefahren, eine der ältesten Städte der Ukraine. Dort ist auch die gleichnamige Burg (Quelle 1 und Quelle 2) aus dem 14. Jahrhundert zu finden. Sie ist mit einer Brücke zur Stadt verbunden, welche gegen eine geringe Maut befahren werden kann (Motorräder kostenlos!) und sehr sehenswert.

Kurz vor Czernowitz hatte ich später schon wieder Kontakt zur örtlichen Polizei. Diesmal jedoch hatte ich wirklich einen Fehler gemacht und der wurde halt entdeckt. Der junge Polizist hat mich freundlich darauf hingewiesen, kurz meine Papiere kontrolliert und mir ohne weitere Sanktion eine gute Fahrt gewünscht!

Untergekommen war ich zu den üblichen Bedingungen  für 24 Euro im Andinna Hotel. Der Abend wurde später dann feucht-föhlich. Roman hat mir eine individuelle Stadtführung und eine Einführung in das lokale Bier angedeihen lassen 🍻 Wir haben dann auch noch einen Georgier kennen gelernt, der uns zu einem mehrwöchigen Aufenthalt in seinem Haus eingeladen hat und die Gegend zeigen will. Mein Roadbook wächst 😄

 

Ausreise aus der Ukraine

Die nächste Etappe sollte aus der Ukraine hinausführen. Zuerst bin ich der H10 bis kurz vor Stryi gefolgt. Aber einfach nur die Fernstraße fahren war nun auch nicht ganz meins und ich habe mir daher den Nationalpark Skoler Beskiden auf die Agenda für diesen Tag gesetzt. Dort wollte ich zumindest nochmal ein paar einsamere Straßen und – soweit es dort geht – Pässe mitnehmen. Auch diese Gegend ist landschaftlich sehr schön und die Tannen- und Buchenwälder sind in weiten Bereichen prägend. Teilweise ist sogar eine gute touristische Infrastruktur vorhanden. Und auch wenn die Straßen auf den Bildern stellenweise etwas abenteuerlich aussehen, sind sie im großen und ganzen gut zu fahren. Die Pässe waren aber mit knapp unter 1.000 m „überschaubar“.

Durch eine langsam Herbstfarben annehmende Landschaft führte die Route dann zur Grenze. Der Übertritt der ukrainischen Seite war einfach und schnell. Kurz die Papiere vorzeigen, Gepäckkontrolle hat keinen interessiert. Anders jedoch auf der slowakischen Seite: obwohl alle freundlich und professionell waren, hat der Prozeß dort 3 Stunden gedauert. Übernachtet habe ich in einem kleinen Hotel in der Nähe von Michalovce.

Für den weiteren Rückweg hatte ich dann noch eine schöne Strecke durch die Slowakei und Polen bis Breslau rausgesucht: Viel Landstraße, ein paar Hügel, einige nette Kurven – und so fing der nächste Tag gleich richtig an. Leider mußte ich mich aber auch ranhalten, da die Strecke mit über 600 km schon ein ziemlicher Brocken ist. Es hat sich dennoch gelohnt. Übernachtet habe ich in Kaluza (Slowakei) in der Pensin Lucus und in Breslau (Polen) in der Karczma Rzym.

Ein Hintergedanke, weshalb es unbedingt Breslau sein mußte ist relativ simple: Ich hatte dort noch eine Scharte auszuwetzen. Bei der Russlandtour 2016 habe ich den Motorradzwerg nicht gefunden. Das ging natürlich gar nicht. Nun also ein neuer Versuch 😀

Die sogenannten Breslauer Zwerge sind in der ganzen Stadt aufgestellt, die alle in anderen Posen und Aktivitäten abgebildet sind. Es sollen mehr als 300, einigen sagen mehr als 400 sein.

Dieses Jahr war ich erfolgreich. Kleiner Tip: Er steht auf der Treppe einer Kirche und der Pfarrer – so wird erzählt – soll ein eingefleischter Harley-Davidson Fan sein.

Leider war damit aber auch die schöne Zeit vorbei und ich mußte schnell zurück nach Deutschland. Die Tour hörte also auf, wie sie angefangen hat – auf der Autobahn.

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